Kinder sind unsere Zukunft
Dieses Bild zeigt, weshalb der Tod eines Kindes von solcher Dramatik ist, dass es kaum etwas Schlimmeres geben kann. Mit dem Tod eines Kindes bricht ein viele Generationen alter Evolutionsstrang ab.
In uns ist die Fürsorge um die nächste Generation als tiefsitzender Instinkt angelegt. In dem Moment der Mutter- und Vaterwerdung entsteht die Liebe. Sie ist wie ein Enzym, das sowohl die Pflege
und Sorge, als auch unsere nahezu bedingungslose Opferbereitschaft ermöglicht und in einem Maße "produziert" wird, dass es für ein ganzes Leben reicht. Und plötzlich läuft sie ins Leere, diese
Liebe, die keinen Empfänger mehr hat.
Und was passiert mit uns, wenn es für uns keine Zukunft im evolutionären Sinne mehr gibt? Sind wir dann unserer Existenzberechtigung beraubt? Gibt es dann noch ein Ziel? Wie viele kleine singuläre Ziele braucht es, um das größte Ziel – die Erhaltung der Art – zu kompensieren?
Vier von fünf Partnerschaften werden nach dem Tod eines Kindes getrennt. Der Lebenswille der Eltern sinkt rapide ab und etliche Mütter und Väter können ihn nicht wieder aufbauen. Der Verlust
keiner anderen Beziehung dürfte so dramatisch und existenziell sein wie der Verlust eines Kindes.
Diese Dramatik mit ihren fatalen Folgen und "Nebenwirkungen" ist Niemandem bewusst, der sie noch nicht erlebt oder sich damit auseinandergesetzt hat.
Nicht zuletzt aus dieser Erkenntnis heraus habe ich Hochachtung vor der Arbeit des VEID (Bundesverband verwaiste Eltern und trauernde Geschwister) und vergleichbaren Engagements und Initiativen
bis hin zu den einzelnen und gut arbeitenden Selbsthilfegruppen.
Wir wollen dieser Dramatik zu Öffentlichkeit verhelfen. Dafür haben wir als ersten Schritt ein Zeichen gewählt – etwas Sichtbares: Einen LICHTPUNKT.
Es ist kein Strahl, es ist nur ein kleiner Punkt. Mehr kann es neben dem gigantischen Verlustgefühl auch nicht sein, wenn wir darüber reden wollen und wenn wir dem Gefühl Ausdruck verleihen
wollen. Ein LICHTPUNKT – das ist ein kleiner Punkt der Hoffnung, der Hoffnung darauf, dass kleine Lebensziele uns am Leben halten, dass wir eine Berechtigung im Hier und Jetzt haben, die Hoffnung
darauf, dass der Schmerz über die "ausgelaufene" Liebe irgendwann das Maß des Erträglichen erreicht. Aber es gibt da noch etwas Anderes, das uns zum Weiterleben verpflichtet: die Erinnerung. Wir
sind die Träger der Erinnerung an unsere Kinder. Sie bleiben somit noch einen Augenblick bei uns. Der kleine weiße Lichtpunkt gibt ihnen ein sichtbares Zeichen – eine kleine sichtbare
Stellvertretung.
Kinder sind unsere Zukunft
Das hat nicht nur eine persönliche Ebene – auch gesellschaftlich bedeuten Kinder unsere Zukunft. Darum muss sie sich auch um Ihre Kinder kümmern und Anteil an Ihrem Schicksal nehmen. Die Gesellschaft ist keine graue Masse – es sind die Menschen um uns.
Es gibt sie durchaus, die Menschen, die mit den verwaisten Eltern leiden. Das ermöglicht unsere Empathiefähigkeit; sie zeichnet den Menschen als soziales Wesen aus. Ich selbst leide seit
Jahren unter Nachrichten über das Sterben von Kindern. Ich lese entsprechende Artikel nicht mehr, ich stelle das Radio aus, wenn über den grausamen Mord an einem Kind berichtet wird, ich versuche
es zu verdrängen. Doch was bin ich für ein Mensch, wenn mein Ziel die Ignoranz dieser Schicksale ist? Ich wollte nicht länger wegschauen, und gleichzeitig wusste ich nicht, wie ich meiner
Traurigkeit, meinem großen Mitleid gerecht werden soll. Unmittelbar kann ich nichts tun. Als Mutter von drei Kindern hat mich das sehr beschäftigt. Als ich dann mit meiner Geschäftspartnerin die
Aktion Lichtpunkt ins Leben rief, gab mir der Lichtpunkt eine Ausdrucksmöglichkeit – ich konnte mit einem sichtbaren Symbol – dem kleinen weißen Lichtpunkt, der kleinen weißen TRAUERNADEL° –
meinem Bedürfnis nach Anteilnahme und dem Bedürfnis nach Ausdruck meines Mit-Trauerns um jedes einzelne kleine und große Kind Ausdruck verleihen. Das war und ist meine Intention für diese Aktion.
Wir haben schon viel gelernt, wir haben noch nicht alles richtig gemacht, aber der Ansatz ist richtig. Und darüber bin ich froh.
Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, am 9. Dezember 2012 mit allen Eltern, Großeltern und Geschwistern an die Kinder zu denken, es zeigen zu können und mich über meinen kleinen
Lichtpunkt mit ihnen verbunden zu fühlen. Und ich hoffe, es ist, so klein es auch sein mag, ein Trost.
Das wünsche ich mir sehr!
Stefanie Oeft-Geffarth
conVela - Erinnerungskultur / Aktion Lichtpunkt
Wir tragen unseren Lichtpunkt am 9. Dezember 2012 in Gedenken an alle verstorbenen Kinder. In Gedanken sind wir bei den Eltern, Großeltern und Geschwistern.
Holen auch Sie sich Ihren Lichtpunkt und setzen Sie ein Zeichen [mehr]. Die Aktion Lichtpunkt unterstützt den Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland (VEID) e.V.
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Melanie N. (Mittwoch, 05 Dezember 2012 10:07)
Ich finde den Artikel sehr schön geschrieben und es spricht mir aus dem Herzen.Ich trage auch einen Lichtpunkt aus Anteilnahme,weil es mich immer wieder erschüttert,was Kindern passiert.Ich habe selbst eine kleine Tochter und weiß,welches Geschenk das ist. Somit möchte ich allen Eltern das Gefühl geben,dass wir an eure kleinen Engel denken!!
claudia (Mittwoch, 05 Dezember 2012 10:18)
Also ich denke dem ist nichts hinzuzufügen. Niemand kann erahnen, was die die ein Kind verloren haben, an Verlusten erleiden bis hin zum eigenen Lebenswillen.
Marc (Mittwoch, 05 Dezember 2012 22:41)
Danke für diesen Text - er spricht mir aus der Seele.