Meystersinger – Vom Lachen und Weinen gegen den Schmerz
Interview
Die Aktion Lichtpunkt 2015 endet heute – neun Wochen voller Emotionen, Erinnerungen und unendlichem Verbundenheitsgefühl mit Euch, verwaisten Eltern, liegen hinter uns. Wir wollen uns jedoch nicht sang- und klanglos verabschieden, im Gegenteil. Es wird musikalisch! Wir werfen einen Blick zurück auf ein besonderes Highlight der diesjährigen Aktion: das Benefizkonzert des Künstler-Duos Luci van Org & Roman Shamov alias Meystersinger am 7.11.2015 in Leipzig.
Der Abend war in vielerlei Hinsicht einzigartig: Nicht nur hatte die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten, Daniela Schadt, die Schirmherrschaft für das Konzert übernommen, war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt, sondern zum ersten Mal verlieh die Aktion Lichtpunkt den Goldenen Lichtpunkt für besonderes Engagement für die Belange verwaister Eltern. Erste Preisträgerin wurde Luci van Org, die sich seit Jahren für den Bundesverband Verwaister Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. (kurz: VEID) einsetzt. Sichtlich berührt nahm sie den Goldenen Lichtpunkt entgegen. Das anschließende Konzert ging unter die Haut und direkt ins Herz.
Wer so beeindruckend die Aktion Lichtpunkt begrüßt, soll auch das Schlusswort bekommen, dachten wir. Und haben Meystersinger nach ihrer Motivation gefragt, sich für verwaiste Eltern zu engagieren:
„Meystersinger“ kann man in regelmäßigen Abständen auf Benefizkonzerten sehen und vor allem hören. Warum ist es Euch wichtig, für bestimmte Themen einzustehen und sie mit Eurer Kunst zu unterstützen?
Roman und Luci: Unsere Texte und unsere Musik kommen direkt aus unseren Herzen, da ist es nur ganz natürlich, dass wir Benefizkonzerte, die ja auch meistens Herzensprojekte anderer Menschen für andere Menschen sind, unterstützen. Wenn wir könnten, wie wir wollten und nicht selbst ja auch unseren Lebensunterhalt verdienen müssten, würden wir das noch viel öfter machen.
Das Benefizkonzert für die Aktion Lichtpunkt hatte einen sehr emotionalen, sehr sensiblen Hintergrund: den Tod von Kindern. Wie bereitet Ihr als Künstler ein Konzert in diesem Kontext vor?
Luci und Roman: Da Luci nun ja schon für eine ganze Weile Schirmfrau des VEID e.V. ist und Roman eigentlich ganz selbstverständlich in die Arbeit mit hineingewachsen ist, mussten wir überhaupt nicht diskutieren. Und vorbereiten kann man sich ja auch eigentlich gar nicht. Schließlich ist der Schmerz über den Verlust eines Kindes weder gedanklich, noch gefühlsmäßig auch nur annähernd nachvollziehbar. Was wir an diesem Abend tun, ist das, was wir bei unseren Konzerten immer tun – wir treten jedem Menschen so ehrlich und authentisch und offen wie möglich gegenüber. Um nicht nur die Herzen des Publikums zu berühren, sondern auch uns von allem berühren zu lassen, was wir mit dem Publikum erleben.
Wie habt Ihr diesen Abend erlebt?
Roman und Luci: Für uns war es eine unglaublich tiefe und schöne Erfahrung, zu spüren, wie schnell sich trotz des "ehrwürdigen" Rahmens und der einflussreichen Gäste eine fast private Atmosphäre eingestellt hat. So viel Offenheit und echte Anteilnahme, sogar von Frau Daniela Schadt – das war wirklich ein riesiges Geschenk! Genauso wie die Voraufführung des Animationsfilms "Leipzig von Oben". Wie schnell Schwarwel [Filmemacher, Anm. d. Red.] und seine "Glücklicher Montag"- Chefin Sandra Strauß ein nicht mehr weg zu denkender Teil der VEID e.V.-Familie geworden sind und dass immer mehr wunderbare Menschen sich für den Verein engagieren, ist einfach toll!
Luci, Du bist seit Jahren Schirmherrin des VEID e.V. - Was bewegt Dich, Dich für verwaiste Eltern zu engagieren?
Luci: Der Kontakt mit den betroffenen Eltern und Geschwistern. Wer mitbekommt, was sie durchmachen, wie stark sie sind, wie viel man von ihnen lernen kann – und wie oft sie aufgrund von Berührungsängsten und Unsicherheit zusätzlich zu ihrem Schmerz ausgegrenzt und missverstanden werden, kann gar nicht anders, als da was ändern oder lindern zu wollen. Auch bei Roman und meinem Mann (DANKEDANKEDANKE Euch beiden dafür!!!) habe ich das so erlebt. Nach dem persönlichen Kennenlernen der Betroffenen waren sie aus dem VEID e.V. schnell nicht mehr wegzudenken und viel von meinem Engagement ist mittlerweile unser gemeinsames geworden.
Roman, wie redet Ihr über Lucis Engagement und wie hat es Dich in den Jahren Eurer Zusammenarbeit beeinflusst?
Roman: Lucis Engagement und ihr Interesse am Schicksal anderer Menschen haben mich in vielerlei Hinsicht stark beeinflusst und inspiriert. Ich komme aus einem, sehr vom 2. Weltkrieg beeinflussten Familienhintergrund, da ging es in aller erster Linie immer um das nackte Überleben und es blieb nicht viel Platz um zu fragen, wie geht es eigentlich anderen, wie schafft man wichtige Dinge des Alltags vielleicht doch besser zusammen, wie kann man sich gegenseitig beistehen?! Jetzt, nachdem wir schon ein paar Jahre zusammen arbeiten, hat sich mein Blick auf und für solche Dinge sehr verändert und geschärft, ich habe zu vielem eine Meinung, oder besser gesagt, traue mich, tatsächlich eine Meinung zu haben und diese dann auch öffentlich zu vertreten. Das ist ein gutes, ein beglückendes Gefühl, damit fange ich überhaupt erst an, Teil einer Gemeinschaft zu werden, was mein größter Traum, mein größtes Bedürfnis und gleichzeitig auch meine größte Herausforderung ist.
Jetzt gab es dafür einen Preis, Luci, den Goldenen Lichtpunkt: Was bedeutet Dir eine Ehrung wie diese?
Luci: Der Dank, der mir da entgegengebracht wurde und den ich in Form des Lichtpunkts jetzt immer bei mir tragen kann, hat mich völlig umgehauen. Ich wusste wirklich überhaupt nichts von dem Preis – und schäme mich etwas, weil ich ausgerechnet an diesem Tag so furchtbar übellaunig zum Soundcheck gekommen bin. Grund war nur das vorangegangene Verkehrschaos – trotzdem haben auch einige Vereinsmitglieder erstmal meine miese Stimmung abgekriegt.
Und dann kommt sowas... Mann Mann Mann...! Das war dann mal wieder eine kleine Lektion darin, blöde Sachen unbedingt dort zu lassen, wo sie hingehören und niemanden mit reinzuziehen, der nichts damit zu tun hat. (Sollte sich da jemand angesprochen fühlen, bitte ich sie oder ihn tausendfach um Entschuldigung!! Arrghhh...!) Was mir noch wichtig ist, ist, dass an diesem Abend unzählige Menschen im Publikum saßen, die schon viel mehr für den Verein getan haben als ich und die ich selbst für so einen Preis vorgeschlagen hätte. Und, dass ich ja auch oft mit Menschen zusammenarbeite, den Preis also gar nicht allein, sondern eigentlich mit ganz vielen zusammen bekommen habe. Außerdem habe ich gar nicht das Gefühl, dass man mir danken müsste. Eher muss ICH danke sagen – für die unglaublich vielen wundervollen und lehrreichen Erfahrungen und Erlebnisse, die der Verein mir schon geschenkt hat.
In Eurem Debütalbum „Trost“ und auch im zweiten Album „Haifischweide“ ist die Bandbreite der Themen Eurer Songs vielfältig: Ihr erzählt von Sehnsüchten und Verlangen, den eigenen Dämonen, von Liebe und Tod, vom Stark und Schwach Sein, immer dem Schmerz und der Angst tapfer in die Augen blickend. Und überall schwingt auch Hoffnung und vor allem Euer eigenwilliger Humor mit. Welche Ereignisse und Erfahrungen sind es in Eurem Leben, die Euch zu den Künstlern machen, die Ihr heute im Duo „Meystersinger“ seid?
Roman: Nun, es sind die Ereignisse in meinem Leben, die nicht einfach so vorüber ziehen, sondern die, die mich anhalten lassen, die mich zum anhalten zwingen. Die Ereignisse, bei denen ich bemerke, wie zerbrechlich ich wirklich bin, wie unendlich hilflos ich mich fühlen kann und wie dunkel so mancher Horizont sein kann. Es sind die Ereignisse, bei denen ich merke, daß es möglich ist, Hilfe zu erfahren und Hilfe zuzulassen, zu vertrauen, aufzumachen und zu bemerken, dass ich es alleine nicht schaffen kann und muss. Es sind die Erfahrungen, die mich verändert haben, die aus einem kleinen Roman eine größeren, einen menschlicheren Roman mit mehr Mitgefühl gemacht haben. All diese Erfahrungen und Ereignisse geben mir Kraft und Mut, die/ den ich gerne mit anderen teilen möchte und der Humor, der in uns immer wieder aufbrandet, ist das beste Werkzeug im Kampf gegen die Angst, die hat es nämlich nicht gerne aus- bzw. angelacht zu werden, da dreht die sich dann auf dem Absatz um, die Angst, pupst vielleicht vor Schreck noch mal kurz und verzieht sich dorthin, wo sie keinen mehr stört und was will man mehr?!
Luci: Eine wirkliche Besonderheit bei MEYSTERSINGER ist meiner Meinung nach die Ernsthaftigkeit, mit der wir an Themen herangehen. Ganz egal, mit wie viel Humor wir arbeiten – wir ringen wirklich um jedes Wort, um jeden Ton, bis ein Song für unser Empfinden die größtmögliche Wahrhaftigkeit und Tiefe erlangt hat. Wir selbst, unser eigenes Erleben macht also einen Meystersinger-Song zu einem Meystersinger-Song. Das Schreiben ist deshalb oft ganz schön anstrengend, manchmal sogar schmerzhaft. Roman ist nämlich eher ein Bauch, ich eher ein Kopfmensch – was zur Folge hat, dass wir oft heftig über Dinge streiten. Aber gerade so entsteht am Ende eben etwas wirklich Vielschichtiges, das auch keiner von uns alleine so hinbekommen hätte. Unser Publikum schätzt und belohnt diese Ernsthaftigkeit. Noch nie in den ja mittlerweile 30 Jahren meines Bühnenlebens habe ich seitens der Zuhörer eine so große Offenheit erlebt, so viel Mut, Gefühle zu zeigen oder nach den Shows über sie zu reden. Das macht mich sehr glücklich.
Habt Ihr noch ein Statement oder einen Gruß für die Aktion Lichtpunkt-Gemeinschaft da draußen?
Roman und Luci: Wir verneigen uns tief vor Eurer Kraft, Eurem Mut und Eurer Liebe, die Menschen wie uns, bei allem Schmerz, ein brennendes Licht im Dunkel sind. DANKE. Wir freuen uns sehr auf ein ganz, ganz baldiges Wiedersehen.
Und wann und wo können wir Euch wieder live sehen?
Roman und Luci: Wir basteln gerade an unserem dritten Album und werden damit dann auch wieder kräftig auf Tour gehen. Bis dahin gibt es immer wieder einzelne Konzerte, die auf unserer Netzseite – www.meystersinger.com – immer schon frühzeitig zu finden sind. Wir sind aber auch immer gerne bereit, Wohnzimmerkonzerte zu spielen. Bucht uns, ruft uns zu Euch und wir werden kommen.
Weiterführender Links:
Mehr zu Terminen und Aktionen finden Sie auf ihrer Homepage: http://www.meystersinger.com/
Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!
Holen auch Sie sich Ihren Lichtpunkt und setzen Sie ein Zeichen!
Kommentar schreiben