3. Dezember 2015


Gemeinsam geht es sich leichter 

VEID regional: Ostthüringen 

 

Leise wird ein Name genannt, ruhig eine Kerze entzündet. Fast fünfzig Lichter leuchten in der Kirche in Gera, in der an diesem Tag Eltern und Angehörige ihrer verstorbenen Kinder gedenken. Für jedes vorausgegangene Kind steht eine Kerze als Symbol, dass dieses Kind die Welt erhellt hat und nicht vergessen wird. Gemeinschaftliches Erinnern, wie am bevorstehenden Weltgedenktag und World Candle Lighting am zweiten Sonntag im Dezember, entfaltet eine heilende Kraft, davon sind Holger und Cornelia Günther überzeugt. 

Cornelia & Holger Günther
Cornelia & Holger Günther

Das Ehepaar Günther hat die Gedenkfeier organisiert. Nicht zum ersten Mal. Seit 2007 machen Holger und Cornelia Günther sich für verwaiste Eltern in Gera und im weiteren ostthüringischen Raum stark. Auch sie haben ein Kind, ihren Sohn, verloren und wissen um den Schmerz und die Trauer von Eltern, die ein Schicksal wie ihres teilen. „Es ist wie ein unsichtbares Band, das uns miteinander verbindet,“ meint Holger Günther. 

 

Weil es damals in der Region jedoch keine Ansprechpartner für verwaiste Eltern gibt, gründen die Günthers kurzer Hand eine eigene Gruppe. Nun, acht Jahre später, sind sie Trauerbegleiter und Notfallseelsorger, arbeiten als Hospiz- und Kinderhospizhelfer der Regionalstelle Verwaiste Eltern Ostthüringen. Sie wurden zu den Partnern, die sie selbst brauchten. Dabei geht es neben dem psychischen Beistand auch um Problemlösungen ganz praktischer Art wie Hilfestellungen bei Kuranträgen oder der Gestaltung einer neuen Friedhofsatzung im Sinne der Hinterbliebenen. 

Auch kooperieren sie mit den Kommunen, Fachdiensten, sozialen Einrichtungen und natürlich den Berufsgruppen, die mit dem Tod eines Kindes unmittelbar konfrontiert sind. „Wir versuchen so sicher zustellen, dass man auf verwaiste Eltern sensibler reagiert und ihren Anliegen mit dem nötigen Respekt entgegen tritt,“ erklärt Holger Günther die Zusammenarbeit. 

Für Eltern und Familien gibt es keinen tieferen und nachhaltigeren Einschnitt als den Tod des eigenen Kindes, so Holger Günther weiter. „Es bedeutet den absoluten Ausnahmezustand für die gesamte Familie, dazu zählen auch die Großeltern. Entsprechend schwer fällt es den Familien, einen Umgang mit diesem kaum fassbaren Verlust zu finden.“ Dafür braucht es flächendeckend gut ausgebildete Trauerbegleiter, die Betroffene in ihrer außergewöhnlichen Situation unterstützen, die ihnen zuhören und aufzeigen, wie es gelingen kann, ihre Trauer in ihr 'neues Leben' zu integrieren, betont Holger Günther. Hier liegt auch seine Motivation, eine Regionalstelle für Verwaiste Eltern zu gründen.

 

Neue Wege

Ein neues Leben, das bedeutet auch, neue Wege zu gehen: gehen zu müssen, aber auch gehen zu dürfen. Cornelia und Holger Günther übertrugen diesen Gedanken nicht nur in ihr Leben, sondern auch in ihre Vereinsarbeit und wanderten –  zusammen mit anderen trauernden Eltern durch den Geraer Stadtwald. “Es ist nicht leicht diesen ‚neuen Weg’ zu gehen, bei dem viele Hindernisse bewältigt werden müssen. Wir stellten aber auch fest, dass es sich gemeinsam leichter geht. Man kann sich gegenseitig Mut zusprechen und auffangen, wenn man zu fallen droht. Auch wenn wir gemeinsam aufbrachen, ging doch jeder seinen eigenen Rhythmus, wollte den Anderen verstehen, geduldig zuhören, mit Hinweisen ermuntern, den Anderen akzeptieren – so wie er jetzt ist. Aber sich auch Zeit lassen, immer wieder anhalten, seinen Standort bestimmen und versuchen sich an dem zu freuen, was man erreicht hat. Neue Kraft schöpfen und Ja sagen zum Wagnis ‚Neues Leben’,“ beschreibt Holger Günther seine Erfahrungen mit dieser Wanderung – im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinne. 

Am 13. Dezember, wenn weltweit verstorbenen Kindern gedacht wird, werden auch Holger und Cornelia Günther wieder eine Kerze entzünden – gemeinsam mit weiteren betroffenen Eltern, Angehörigen und ihnen verbundenen Menschen. In der Kirche St. Elisabeth in Gera findet die zentrale Gedenkfeier für Ostthüringen statt. Das Thema in diesem Jahr „Dein Platz ist leer …“ 

Weiterführender Links

Betroffene Menschen und Rat Suchende können sich hier informieren:

 

www.verwaiste-eltern-ostthueringen.de

 

 

Selbsthilfegruppen treffen sich regelmäßig in Altenburg und Gera. Akute Einzel- oder Familienberatungen werden ebenfalls angeboten. Bitte sprechen Sie den Regionalverband Verwaiste Eltern Ostthüringen e.V. direkt an. 

 

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