7. November 2014


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Ohne Wort - 

nur das Herz umfängt sanft die Erinnerung

 

von Martina Hosse-Dolega

(Erster Teil des Interviews zum Thema "Abschied")

 

Dem Himmel so nah fühle ich mich seit den Ereignissen in den Jahren 1993 und 1994, die mich und mein Leben - und natürlich auch das meiner Familie - für alle Zeit prägten. Mein Lebenstraum, meine Wünsche, Träume und Hoffnungen endeten innerhalb eines Atemzuges. Mit Sehnsucht erwartet und doch viel zu früh lehrten mich meine Söhne Nico und Robin (Zwillinge) und Joshua das Leben.

Als ich meine Babys zum ersten Mal sah war ich überwältigt. Ich liebte sie, seit ich von ihrer Existenz wusste - doch als ich sie sah bekam diese Liebe Gestalt. Schläuche, Monitore waren unbedeutend - ich sah nur meine über alles geliebten Kinder. 4 Tage, 21 Tage und 39 Tage dauerte ihr Leben auf dieser Welt und doch lehrten sie mich das Wesentliche. Ich hoffte und betete - gemeinsam waren wir, die Eltern, fast ununterbrochen bei unseren Kindern. So unvorbereitet, so überwältigend, so schmerzlich, so unglaublich berührend, intensiv diese Zeit war ich erinnere mich und fühle es, als sei es gestern gewesen. Gesprochene Worte, gelebte Gefühle, Gerüche, Töne, Bilder - all das bleibt und überdauert die Zeit.


Das Team des Perinatalzentrums war immer an unserer Seite. Sie informierten uns behutsam, gaben Antworten auf alle unsere Fragen - tags und nachts. Sie berührten und berühren mein Herz fachliche Kompetenz verbunden mit Achtsamkeit und Empathie ihren anvertrauten Schützlingen und Eltern gegenüber. Warmherzig teilten sie selbst schwierigste medizinische Diagnosen mit - sie blieben immer Mensch.


Meine Söhne starben auf den Armen ihres Papas - bis zu ihrem Tod waren wir immer in ihrer Nähe. Der Tod kam leise und sanft - Worte, die mir schwer fallen mit dem Tod in Verbindung zu bringen und dennoch habe ich es so empfunden. Es war jedesmal ein stiller Moment, fast so, als hielte der Himmel den Atem an. Jede Faser meines Körpers schrie, jede Zelle rebellierte gegen das, was so gegen die Natur war und ist, gegen alle Lebenskonzepte: das Sterben von Kindern weit vor ihrer Zeit. Innerlich tobte es in mir, äußerlich fühlte ich mich wie in einer Schockstarre. Nichts existierte mehr - nur dieser Augenblick. Nach Tagen und Wochen ihres Kämpfens, nach schmerzhaften medizinischen Eingriffen, nach ihren ganzen Leben auf der Intensivstation - und seien die Menschen dort auch noch so liebevoll -, nach der Aussage, dass jegliche medizinische Unterstützung nicht den Tod verhindern könne, endeten dort unsere Leben, unsere Unbeschwertheit. Nicht jedoch diese unbeschreibliche bedingungslose Liebe, die Alles überlebt.


Seit diesen Momenten gibt es ein Leben davor und ein Leben danach. Der Tod eines Kindes vor dem Tod seiner Eltern fühlt sich so falsch an. In der Zeit des Sterbens blickte ich unweigerlich auch immer wieder auf die Monitore - ich hatte so große Angst, vor dem Sterben meiner Söhne, vor ihrem Tod. Fürchterliche Angst, weil ich nicht wusste wie sich der Tod zeigen würde, wie das Sterben aussehen würde. Was würde passieren, wenn das Herz aufhören würde zu schlagen? Irgendetwas musste doch passieren?! Das Leben konnte doch nicht "einfach" weiterlaufen - so als sei nichts geschehen. Würde die Welt anhalten? Würde ich mit meinen Kindern sterben? Immer wieder flüsterte ich meinen Söhnen zu, dass sie nicht mehr weiter kämpfen müssen. Worte, die mir so schwer fielen, sie auszusprechen - aber ich wollte, dass meine Babys in Frieden sterben. Ich wollte nicht, dass meine Traurigkeit und mein Schmerz ihr Leiden verlängert - wenn meine Kinder keine Chance auf Leben hatten.

Tränen liefen mir über's Gesicht - ich fühlte mich wie betäubt und war unglaublich dankbar, dass meine Söhne auf dem Arm ihres Papas lagen und all die Liebe fühlten, die sie die ganze Zeit ihres Lebens begleitete. Mein Herz ist voller Dankbarkeit für unsere gemeinsame Zeit und ebenso voll unendlicher Trauer, dass meine Babys nur ein viel zu kurzes Leben leben durften. Einige Erinnerungen tun so weh, dass mein Körper schmerzt. Andere Erinnerungen lassen mich lächeln und füllen mein Leben mit Hoffnung und Licht. Diese Erinnerungen sind das das Kostbarste, was ich besitze.


Ohne Wort - nur das Herz umfängt sanft die Erinnerung.

Wir danken Martina Hosse-Dolega für diesen Erfahrungsbericht im Rahmen unserer Interviews zum Thema "Abschied" während der Aktion Lichtpunkt 2014. 

Sie arbeitet mittlerweile in einem engagierten Bestattungshaus, das ihr den nötigen Raum für die sinnvolle Begleitung der Trauernden zur Verfügung stellt. Darüber hinaus ist sie als Trauerbegleiterin und Entspannungs- & Gesundheitspädagogin sowie als Präventionsberaterin aktiv. Ihre Webseite ist derzeit im Aufbau. Sie können aber über uns oder per Mail direkt mit Ihr Kontakt aufnehmen.

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